Das Ende einer Reise

Rund 400 Zuhörer erlebten am Samstag, 21. Juni 2014 in der neuapostolischen Kirche in Stendal die dritte Aufführung des Oratoriums „David – Sänger, König und Poet“. Das Konzert war zugleich der Abschluss eines Musikprojektes, bei dem Sänger und Spieler aus allen Teilen der drei mitteldeutschen Gebietskirchen ein Jahr lang gemeinsam musiziert hatten.

Am Ende lagen zwischen dem ersten und dem letzten Ton genau 350 Tage und knapp sieben Stunden. Am 21. Juni wurde das David-Oratorium von Klaus Heizmann zum dritten Mal aufgeführt. Ein Jahr zuvor, bei der ersten Probe am 6. Juli 2013 in Leipzig-Plagwitz, hatte zunächst Unsicherheit geherrscht. Denn niemand wusste, wie ausgewogen die Besetzung sein würde. Außerdem war der abwechslungsreiche Stil des Werkes durchaus ungewohntes Terrain. Den Zuhörern hat es trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen gefallen.

Wie bereits bei den Konzerten in Leipzig und München kamen die Musiker auch in Stendal um die inzwischen obligatorische Zugabe nicht herum. Noch einmal brachten sie die Zuhörer, und auch sich selbst, mit dem Lied, „Du bist meine Stärke“, einer Adaption eines israelischen Volksliedes mit flottem Rhythmus und einem wilden Klarinetten-Solo, in Wallung. „Das Lied ist ein persönliches Highlight, das einen in jeder Situation aufmuntert oder hilft, Sachen anzugehen, die man so nicht machen würde“, sagte eine Sängerin im Anschluss.

Aber nicht nur die schrillen, sondern auch die leisen Klänge imponierten Zuhörer wie Mitwirkende. „‚Wirf dein Anliegen auf den Herrn‘ – in allen drei Konzerten standen mir da die Tränen in den Augen und auch jetzt noch, wenn ich daran denke“, sagte Sängerin Tina Stephan.

Nach dem Konzert mündete die Freude über das gelungene Konzertprojekt in einer Abschlussfeier. Im Kirchenhof saßen die Letzten noch beisammen, als die Sonne schon längst untergangen war. Auch der Gottesdienst am Sonntag, den einige Musiker gemeinsam mit der Gemeinde Stendal erlebten, war geprägt von den Eindrücken des Vortages. „Mich hat es sehr berührt, dass die, die noch da waren, als Teil der ‚Familie David‘ angesprochen wurden“, sagte Anja Frech.

Inzwischen sind die Sänger längst wieder zu Hause, aber wirklich getrennt haben sie sich nicht. „Aus sich teilweise völlig fremden Menschen ist eine grandiose Einheit gewachsen, und es haben sich einige wirkliche Freundschaften entwickeln können. Das ist für mich auch Teil unseres Glaubens“, sagt Thomas Möller.

In das Fazit mischen sich allerdings auch wehmütige Töne. „Das David-Projekt war ein kleines ‚neues Zuhause‘ für uns. Und wer geht schon gern von zu Hause weg, wenn man sich dort so wohl gefühlt hat?“, sagt Susan Vorbrodt. „Wir wünschen uns, dass diese tolle Truppe nicht einfach wieder auseinanderfällt. Hier hatten alle wirklich Lust, richtig gute Musik zu machen.“

Und dieser Soundtrack klingt nach. „Ich habe heute auf Arbeit geforscht, dabei füllte ich Wasser unterschiedlicher Mengen in drei Gläser. Als ich diese nacheinander anschlug, hatte ich die Anfangstöne von ‚Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge‘“, erzählt eine Sängerin. „Ich bin nachts aufgewacht und sang innerlich: ‚Der Mensch sieht, was vor Augen ist, doch du, Herr, siehst das Herz an.‘ Das hat mich in Stendal sehr berührt“, ergänzt Spielerin Manuela Alfaenger. „Meine Höhepunkte sind im Stück ‚Der Herr ist mein Hirte‘, die Stelle, ‚[…] fürchte ich kein Unglück‘ und danach, wenn die Celli ganz sanft anfangen und die Geigen dazu kommen“, sagt Tobias Stephan. „Da wird man ganz tief in die biblische Geschichte hineingezogen“, ergänzt Kristina Westphal.

Und diese Geschichte ist nicht spurlos an den Sängern vorübergegangen. „Mir ist David so groß geworden: ob die fühlbare Suche nach Nähe zu Gott, die Selbstzweifel oder auch der Brustton der Überzeugung in ‚Du bist meine Stärke‘ – ich fand viele Momente, in denen ich aufpassen musste, dass mich die Emotionen nicht eiskalt erwischen“, sagt Simone Möller. „Es war die besondere Mischung aus geistlichem Tiefgang und freudigem Gesang, die diese Freude so groß gemacht hat“, sagt Ingo Bodtke und zitiert aus einem der Lieder: „Doch du sagst ja und nimmst mich wie ich bin […] und stellst mich an den Platz, für den ich viel zu klein bin […]. Ich danke dir...“ „Außerdem“, ergänzt er, „kenne ich kein besseres Bußlied als die Nummer 17. Im Lied ‚Was unrecht war, wird niemals recht‘, heißt es: ‚Wir müssen schon die Knie beugen und unsere Buße recht bezeugen.‘“

Das Werk von Klaus Heizmann spart aber auch die größte Zukunftshoffnung des gläubigen Christen nicht aus. „Der Schlussakkord in der Nummer 23 ‚Wenn du, Herr, kommst!‘ war gigantisch.“, sagt Tobias Stephan. „Da hat jeder alles gegeben. Es war sicherlich der lauteste Moment des Konzerts.“, ergänzt Dirigent Manuel Helmeke.

Die Reise durch das Leben Davids mag vorerst zu Ende sein. Aber wer weiß, ob sich für diejenigen, die daran teilgenommen haben, nicht noch einmal die Möglichkeit ergibt, gemeinsam zu musizieren, bevor der Herr kommt.