„Aus der neuen Welt” beswingt „in eine andere Welt”

Die Veranstaltungsreihe „Geistliche Abendmusik” feierte ihr 50. Jubiläum mit einem besondern Konzert und besonderen Gästen...

Nun war es endlich soweit, die Leipziger Musikreihe „Geistliche Abendmusik” feierte ihr 50. Jubiläum. Das Programm des Jubiläumskonzerts bestand aus zwei Teilen. Zum einen erklang Dvoraks 9. Sinfonie „Aus der neuen Welt”, musiziert vom Bezirksorchester Leipzig und seinem Partnerorchester Köln/Bonn, zum anderen bot das Ensemble „Brothers of Mercy & friends” beswingte Interpretationen bekannter Lieder aus unserem Gesangbuch und der Chorliedersammlung dar.

Die Geistliche Abendmusik wurde vom neuen Bezirksältesten des Kirchenbezirkes Leipzig, Thomas Cramer, mit einem kurzen Blick in die Historie und Entstehung dieser Musikreihe eröffnet. So würdigte er unter anderem auch die Verdienste seines Vorgängers im Amt, Wolfgang Kleine, als Initiator der Geistlichen Abendmusiken. Dessen Motivation, das musikalische Engagement zu fördern, war getragen von dem Gedanken, die im Jahr 1994 renovierte und umgestaltete Kirche in Leipzig-Mitte verstärkt auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und besonders auch kleineren Chorgruppen und Intrumentalensembles die Möglichkeit zu geben, vor größerem Publikum zu musizieren.

Im Anschluss an das gemeinsame Gebet mit dem ebenfalls anwesenden Bischof Thomas Matthes erklang der erste Satz der Sinfonie. Nach einem etwas verhaltenen Anfang blühte das Orchester immer mehr auf.

Musik wischt den Staub des Alltags von der Seele. (E.T.A. Hoffmann)

 

Leipzig ist die musikalischste Stadt der Welt. (Leos Janacek)

 

Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.(Victor Hugo)

Mit diesen drei Zitaten umriss der Moderator und Dirigent Christian T. Köhler die Bandbreite der 50 Geistlichen Abendmusiken. In einem Rückblick ließ er beispielhaft einige Höhepunkte der Konzertreihe Revue passieren. Es folgte eine kurze Erläuterung des Ursprungs der 9. Sinfonie Dvoraks: Der Komponist war aufgrund eines lukrativen Stellenangebotes von Böhmen nach Amerika ausgewandert und dieses Musikstück war sein erster Auftrag in „der neuen Welt”.

Nach Verklingen des 2. Satzes hob der Moderator mit einem Zitat aus der Erstrezension der New York Times die besondere Stimmung der Sinfonie und das herausragende Können des Komponisten hervor und gab einen Rückblick auf die Zusammenarbeit der beiden Bezirksorchester. Die Anfänge des gemeinsamen Musizierens gehen zurück auf das Jahr 1990. Damals suchte ein Glaubensbruder aus Köln, im Sprachgebrauch der Leipziger liebevoll „Messeonkel” genannt, in Leipzig Unterstützung für seinen Messestand. In der Folge entstand in Gesprächen mit Glaubensgeschwistern über musikalische Interessen der Gedanke, gemeinsam Musik zu machen. Im Oktober 1996 besuchte das Orchester Köln/Bonn das erste Mal die Messestadt. Es folgten Gegenbesuche sowie gemeinsame Orchesterlager und Konzertreisen. Das diesjährige Zusammentreffen war das fünfte gemeinsame Projekt.

Der 3. Satz der Sinfonie, bei dem der Komponist von einem indianischen Hochzeitstanz inspiriert wurde, begann mit einem fulminanten Auftakt und war ein Zusammenspiel aus indianischer Folklore sowie slawischen und böhmischen Rhythmen. Vor dem 4. Satz dankte der Dirigent allen Mitwirkenden, Zuhörern und Gastgebern der vergangenen Abendmusiken und den Gemeinden, die bisher umfangreich die Konzertreihe unterstützt haben. Im Finalsatz hatten die Blechbläser ihren großen Auftritt, die immer wieder das Thema aufnahmen und eindrucksvoll den Zuhörern darboten. Mit viel Applaus endete der erste Teil des Konzertes.

Im Treppenhaus der Kirche konnte sich das Publikum während der Pause einen Überblick über die vergangenen Konzerte anhand von ausgestellten Plakaten, Programmen und Zeitungsausschnitten verschaffen. Mit durchschnittlich 200 Besuchern je Konzert waren in der Vergangenheit insgesamt ca. 10.000 Zuhörer zu verzeichnen. Mit „Musik vom 13. bis ins 21. Jahrhundert von Schalmei bis Saxofon” und Musikern aus allen deutschen Gebietskirchen präsentierte sich die große Vielfalt der Veranstaltungsreihe. Es gab Konzerte verschiedenster Solisten, Chöre und Orchester. So waren Gewandhausmusiker genauso zu Gast, wie das Vokalensemble „amarcord” oder die Blechbläsergruppe „Classic Brass”. Von mittelalterlicher Musik mit der Musiziergruppe „Michael Praetorius”, Konzerten mit „Jugend musiziert”-Preisträgern, mehreren Kindermusicals und einem Abend mit Hausmusik konnten die Zuhörer Plakate entdecken. Aber auch nicht so Alltägliches wie Open-Air-Aufführungen, Orgelnacht mit illuminierter Orgel und eine Podiumsdiskussion mit Autoren des neuen Gesangbuches fügte sich in die vielfältigen Themen der vergangenen Konzerte und Veranstaltungen.

Der zweite Teil stand im Zeichen modernerer geistlicher Musik. Das Ensemble „Brothers of Mercy & friends” unter der Leitung des Bezirksältesten Frithjof Tomusch aus Salzburg interpretierte mit für so manchen Zuhörer ungewöhnlichen Klängen und Rhythmen aus Jazz, Swing und Blues Lieder aus Chorliedersammlung und Gesangbuch. Dabei ließen sich die Musiker in der Gestaltung unter anderem von den Liedtexten inspirieren, aber auch von Melodieparallelen zu anderen Musikstücken und Genres.

Zu Beginn dankte der Leiter des Ensembles für den ersten Teil des Konzerts mit „Musik aus der neuen Welt” und leitete den Schwenk zu einer „Musik aus der anderen Welt” mit einem kurzen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Ensembles ein. Während einer Orchesterwoche vor ca. elf Jahren in Österreich saß man abends gemütlich zusammen und es ergaben sich beim gemeinsamen Musizieren Jazz- und Swingvariationen bekannter Kirchenlieder. Es sprach sich schnell herum, was diese „barmherzigen Brüder” für Musik machten. Und so war der Name geboren: „Brothers of Mercy” (engl.: die barmherzigen Brüder).

Das dargebotene Programm reichte von Variationen über die Lieder „Tut mir auf die schöne Pforte” und „Gehe nicht vorbei, o Heiland” mit Klavier-, Trompeten- und Saxofonklängen, über instrumental begleitete Gesangsvorträge zu „Eins ist not! Ach Herr, dies eine” oder „Gott mit euch, bis wir uns wiedersehn” (engl.) bis hin zum Tango d’amore, eine Kombination aus Kirchenlied und lateinamerikanischen Rhythmen. Die bekannte Melodie des Liedes „Seht, wie Daniel in Babel betet” wurde unter dem Gedanken - wie wäre es, wenn Daniel nicht in Babel, sondern in Rio in Gefangenschaft gekommen wäre - neu erfahrbar mit einem Samba do Daniel.

Der beswingte Streifzug wurde begleitet vom Rhythmus des Schlagzeugs und dem E-Bass. Mal dominierten die filigranen und sanften Töne des Sopransaxofons oder der Klarinette, manchmal die zarte und dann auch wieder kräftige Vielfalt der Trompete, ein anderes Mal trat die variationsreiche Stimme der Sopranistin Julia Kruska besonders hervor. Als die letzten Töne verklungen waren, hätte es für einen Großteil des Publikums noch weiter gehen können, zumindest dem anhaltenden Applaudieren nach zu urteilen.

Mag es für einen Teil der Zuhörer ungewohnt gewesen sein, so weckten die Variationen doch auf besondere Weise Gefühle und Empfindungen, die in dieser Art im normalen Gemeindegesang oftmals nicht möglich sind. Das Publikum honorierte die neue Art der Liedinterpretation mit anhaltendem Applaus und schließlich stehenden Ovationen.

Die Zugabe „There’s a light” stellte denjenigen in den Mittelpunkt, dem wir alles zu verdanken haben - Jesus Christus. Damit ging ein Abend mit etwas anderen Melodien, aber viel Gefühl in einer Klangfülle aus der neuen und auch etwas anderen Welt zu Ende.