Ein Tasten-König an der Königin der Instrumente

Anlässlich der 65. Geistlichen Abendmusik und zum Abschluss des diesjährigen Orgelimprovisationskurses spielte Professor Seifen aus Berlin an der großen Jehmlich-Orgel in Leipzig-Mitte. Das zweite Septemberwochenende war damit reich gefüllt mit komplexen Harmoniestrukturen, subtiler Klangbalance und einem Großmaß an Kreativität. Denn Improvisationen werden bekanntermaßen immer neu von jedem geschaffen und sind damit einmalig.

Das Publikum erlebte also an einem Abend gleich drei Uraufführungen. Und da Improvisationen aus dem und für den Moment entstehen, blieb dem Zuhörer nur das Ausnutzen des kostbaren Augenblicks und schließlich seine einmalige Erinnerung. Denn diese grandiosen Werke wird es nie wieder zu hören geben. Zum Glück aber den Meister selbst – auf zahlreichen CDs oder nächstes Jahr wieder zum Workshop-Konzert. Dann wird er wieder seine hohe kompositorisch-kreative Gabe in den Dienst der Musik stellen und dadurch Taste und Pedal Leben einhauchen, was man sonst nicht so schnell zu hören bekommt.

Im ersten Werk des Abends präsentierte Wolfgang Seifen seine Version des deutschen Barock. Mit einem obligaten Präludium, einem kantilenenhaften Adagio und einer vierstimmigen Fuge ließ er bereits anklingen, was der Abend noch bringen würde. Fest rammt er schließlich das Pedal als Orgel- und Schlusspunkt in den Boden. Überhaupt ist es atemberaubend, mit welch flinken Füßen er über das Pedal huscht und galoppiert. Manch Organist ist nicht einmal mit seinen zehn Fingern so schnell. Müßig, hier weiter über Seifens ausgeprägte Virtuosität zu schreiben.

Ein ganzes Sinfonieorchester entlockte er der deutsch-romantischen Phantasie und Fuge beim zweiten Opus: dampfende Akkord-Kaskaden, harfengleiche Spieluhren und Trompeten, die nicht atmen mussten. Man glaubte zwischenzeitlich, Reger oder Liszt säßen persönlich am Spieltisch.

Zum bekrönenden Abschluss – denn die viel zitierte Königin der Instrumente wurde diesmal tatsächlich von einem wahren Tasten-König gespielt – ergriff er das harmonische Zepter des ausgehenden 19. Jahrhunderts, den funkelnd-chromatischen Farb-Reichtum und den gesamten dynamischen Weltball, um sich für den Schlussspurt noch kurz auf einem kostbaren Adagio-Hermelin auszuruhen. Doch da Professor Seifen mit überaus kindlicher Spielfreude musiziert, gönnt er sich, jedweder Pfeife und Register und natürlich den begeisterten Zuhören schließlich noch ein fulminantes Feuerwerk.

Das gemeinsame „Abenteuer der Unmittelbarkeit der Musik“, wie es Seifen eloquent formulierte, war gelungen. Dies bestätigte auch das Dutzend Seminar-Teilnehmer aus ganz Deutschland und Österreich, das sich ein ganzes Wochenende bei dem Orgelvirtuosen Tipps holen durfte und er die Organisten dadurch zu manch neuer, kreativer Musizierweise anspornte.  

Weitere Infos zu Professor Seifen unter: www.wolfgangseifen.de